kunst ist ... (1998/1999)

kunst ist als etwas allgemeines nicht in eine formel zu fassen. für mich hat kunst mit bewußtwerdungsprozessen und bewußtsein zu tun. das kunstwerk auch als dokument/zeugnis von einem bewußtseinsprozeß, der gleich auch in kommunikation gebracht wird. der zuschauer komplettiert das werk durch die aufnahme seiner information.

so ist die soziale funktion die teilnahme an einem kollektiven bewußtseinsprozeß. 1963 stellten manzoni und ich im gespräch fest, daß wir eine gleiche soziale funktion der kunst sahen: dekonditionieren. jetzt sehe ich das als eine der möglichen funktionen in einem gesellschaftlichen bewußtwerdungsprozeß. darum ist für eine sozial gut funktionierende kunst freiheit erste voraussetzung. die gesellschaft entwickelt sich immer an ihren rändern weiter.

wenn ich gesagt habe "natur ist kunst" (und dazu: "aber sie braucht dieses etikett nicht!"), dann konnte ich das, weil ich die natur als einen sinnlich erfahrbaren, bewußten prozeß sehe. darin ist meine identität - das ist, was ich kommuniziere -, immer im klaren über meine soziale funktion.

knetzgau, 9. juni 1998

source: herman de vries, '[kunst ist ...]', in Florian Matzner, 'Künstler Umfrage', in Basisarbeit / hrsg. von Olaf Metzel (Akademie der bildenden Künste : München 1999) 189.