nul = 0 (1961/1995)

die wandlung, die innerhalb des informellen stattgefunden hat, hat als resultat ein neues konzept erhalten. dies ist im gegensatz zu vielem, das sich fruchtlos auf das informelle abzusetzen versucht. die bindenden factoren derer, die dieses neue konzept formen, sind: das objective, nämlich, das soviel wie mögliche ausschalten der persönlichen reaction. es ist das normenlose der ergebnisse. das stupide: die kunst ist an einem punkt angelangt, an dem technik und intellekt sich nicht mehr auszusprechen brauchen, weil sie nun eigentlich von jedem gemacht werden könnten. was mich betrifft, hört die kunst hier auf, kunst zu sein.

ausdruck ist nicht mehr sichtbar, er ist nach innen gerichtet und hermetisch abgeschlossen. ausdruck bleibt also ausser betracht. die freiheit und der raum durch das informelle frei gemacht, werden hier angewendet.

dieses gestalten ist nicht neu, es ist die wiedergabe einer wirklichkeit, die immer schon bestanden hat, nur das konzept davon - die formgebung - ist neu für unsere augen.

dieses gestalten braucht auch nicht ins gesellschaftliche integriert zu werden, es kann nicht angewendet werden und ist glücklicherweise vollkommen unnütz.

wenn dieses gestalten eine gesellschaftliche funktion hat, und nichts kann sich dem vollständig entziehen, dann liegt es an dem widerstand, den es hervorrufen kann - und dieser widerstand ist dann anerkennung und erkennung zugleich.

zero; alles ist einheit, alles geschieht stillstehend.

es gibt keine gegensätze (gegensätze sind arbeitshypothesen, entstanden aus einem causalitäsprinzip, was wenig mit der wirklichkeit zu tun hat).

zero ist kein ausgangspunkt, sondern ein existenzniveau.


zusammenfassung:
dieses gestalten ist kein gestalten, es ist eine kollektive, stupide, aber objektive und vollständig normlose, sich überlassene und überlassende inhumane, ausdruckslose, absolute beschäftigung.

in jedem von uns steckt etwas, das unbewegtes begreifen heiszt. unbewegtes begreifen ist das beweglichste ding der welt: es ist bereit, in jede denkbare richtung zu gehen, und hat doch keinen einhaltepunkt. da ist kein gedanke an ich und du mehr - alles ist leere. aus solcher absoluten leere entspringt die wunderbarste entfaltung des tuns.

takuan

source: herman de vries, 'nul = 0', translated in German and published in herman de vries. to be : texte - textarbeiten - textbilder (Stuttgart 1995) 26-29. The original text in Dutch was published in nul = 0. tijdschrift voor de nieuwe konseptie in de beeldende kunst / revue pour la nouvelle conception artistique ... 1, n° 1 (1961) 10.