herman de vries (1993)

'Nichts Neues' von herman de vries, hätte der Titel unserer Ausstellung lauten können, wenn wir nur ein wenig mutiger gewesen wären. Sie hätte so heißen können, wenn wir uns und unserem Publikum mehr zugetraut hätten, wenn wir mehr Vertrauen gehabt hätten in die allgemeine Skepsis gegenüber Trends und Klischees, wenn wir an das Interesse am Bekannten, das meist nur scheinbar bekannt ist, glauben könnten.

Aber dann wäre unser Projekt ja am Ende gar nicht nötig gewesen.

Warum geht es also?

Es geht um Wahrnehmung.

meine poesie ist die welt - lautet der von herman de vries festgelegte Obertitel des Projektes. Er steckt den Rahmen, zeigt Weite und Offenheit, in denen begleitende Gedanken sich entfalten können.

aus der heimat - ist der für Schweinfurt entwickelte Teil der Ausstellung überschrieben. Nähe und Vertrautheit werden hier angekündigt. In der Umsetzung mögen Vielfalt und Fremdheit gerade im Selbstverständlichen und Nähen deutlich werden.

Die Auswahl der Würzburger Exponate ergab den Titel - von den pflanzen. Im Folgenden soll hauptsächlich von ihnen die Rede sein.

Obwohl das Zeitalter der botanischen Entdeckungen weit hinter uns liegt, bringt herman de vries Pflanzen ins Museum. Diese Pflanzen sind nicht bearbeitet oder kunstfertig wiedergegeben. Es ist auch nicht Kunst mit Pflanzen, oder Kunst in der Natur. [note 1. "ich hasse kunst in der natur! natur ist sich selbst genug und soll dem mensch, genug sein ... natur ist kunst" schreibt herman de vries im Januar 1993 in einer unveröffentlichten Manuskript] Es sind echte Pflanzen. Dem, der nach dem Grund seiner Entscheidung fragt, erzählt de vries die Geschichte von Liä Dsi und dem Maulbeerblatt:

"Ein Mann aus Sung machte für seinen Fürsten ein Maulbeerblatt aus Nephrit. Drei Jahre brauchte er, bis es fertig war. Mit spitzem Messer war es geschnitzt, und Rippen, Stiel und alle feinsten Äderchen waren sorgfältig und dabei doch glatt ausgefürt, so daß, wenn es unter wirkliche Maulbeerblätter gemischt wurde, man es nicht herausfinden konnte.
Dieser Mann wurde daraufhin wegen seiner Geschicklichkeit in Sung auf Staatskosten unterhalten.
Der Meister Liä Dsi hörte davon und sprach: 'Wenn die Natur bei der Erzeugung der Geschöpfe alle drei Jahre nur ein Blatt fertigbringen würde, so gäbe es wohl wenig Dinge mit Blättern. Darum vertraut der Berufene auf die Gestaltungskraft des SINNS und nicht auf Weisheit und Geschicklichkeit'"
. [note 2. Liä Dsi, Das wahre Buch vom quellenden Urgrund, Die Lehre der Philosophe Kou und Yang Dschu. S. 160]

Diesen sinn sieht herman de vries in unserer Zeit nicht nur gefährdet, sondern weitgehend auch verloren. Und so führt er uns Dinge, Pflanzen, scheinbar selbstverständliche Elemente seines und unseres Lebensraumes vor Augen.

"die natur und ihre erscheinungen sind eine offenbarung"

Daß wir diese offenbarung nicht mehr wahrnehmen können, sieht de vries u.a. in unserer christlichen Kultur begründet. Während frühere Religionen die Kräfte der Natur verehrten und entsprechend eng mit dieser verbunden waren, führte die christliche Missionierung zu einem Bruch mit dem Lebensraum. Heilige Bäume z. B. wurde gefällt, um 'Aberglauben' den Boden zu entziehen. So entstand ein Vakuum, das die neue Religion nicht zu füllen vermochte. Ungefüllte Räume im Bereich der Identität und aus dem Gleichgewicht geratene Relationen waren die Folge. Die Beziehung zwischen Mensch und Natur wurde empfindlich und nachhältig gestört.

In unserer Zeit sind unterschiedliche phänomene wie Land Art, ökologische Interessenverbände, 'grüne' Parteien, ein Boom der Bioläden, die Produkte aus natürlichen Zusammenhängen anbieten, Zeichen der als schmerzlich empfundenen Entfremdung zwischen Mensch und Natur.

Unsere Sehnsucht - gespiegelt in üppigen Bouquets, die festliche Ereignisse dekorieren, in Kleingarten und Balkonbepflanzungen - richtet sich gen Garten Eden, in dem Mensch und Natur in Einklang miteinander stehen. Ausdruck dieser sehnsucht mag auch eine neue Briefmarkenserie der Bundespost sein, die für den Sommer dieses Jahres avisiert wird. Zwei Marken sind überschrieben "Für die Jugend." Eine davon zeigt einen Maikäfer, die andere einen Hirschkäfer. Beide Tierarten dürften unseren heutigen Jugendlichen nicht mehr selbstverständlich vertraut sein. Sie lernen sie kennen als Motive auf Briefmarken aus Hochglanzpapier. Zur Produktion des Papiers wird Holz benötigt. Um Holz zu gewinnen, werden Bäume gefällt und damit den Tieren ihr natürlicher Lebensraum entzogen. Sie werden weniger, sie sterben aus. Wir erinnern uns ihrer auf Briefmarken. Welcher Zynismus. Beispiele für den Bereich zahlreicher aussterbender oder gefährdeter Pflanzen wären ähnlich zu formulieren. herman de vries sieht, daß es nicht geht ohne eine Gegenbewegung. Er legt eine große Wiese an, in der Pflanzen sich entwickeln können, [note 3. Hierzu: Michael Fehr, 'herman's Wiese. Ein Museum', S. 34-39, in Daidalos. Architektur. Kunst. Kultur, Nr. 46, 12. Dezember, 1992, Bedeutsame Gärten] publiziert 'natural relations' [note 4. herman de vries, natural relations, eine skizze / Hrsg. Karl Ernst Osthaus-Museum Hagen und Verlag für moderne Kunst Nürnberg), Koln 1989] und stellt Pflanzen aus.

Das 'große rasenstück' von 1979 erinnert an Dürers 1503 entstandenes gleichnamiges Aquarell. [note 5. Albrecht Dürer, 'Das große Rasenstück', 1503, Aquarell 41 × 31,5 cm. Wien, Albertina] Heinrich Wölfflin erlautert die Entstehung dieses ungewöhnlichen Blattes:

"Dürer war unendlich beschaulich und liebevoll damals. Er steigt hinunter bis zu den unscheinbaren Gewächsen der Wiese, und das arme Leben eines Rasenstückes wird ihm zu einer ganzen Welt. Gräser, Schafgarbe, Wegerich und Löwenzahn, wie sie durcheinanderstehen in der Zufälligkeit ihres Wachstums, bildet er noch in natürlicher Größe, mit einer Andacht, die sich scheut, das Geringste auszulassen oder zu verändern... nirgends eine große zusammenfassende Form, lauter kleine Sonderexistenzen, die dargestellt sein wollen.". [note 6. Heinrich Wölfflin, Die Kunst Albrecht Dürers, München 1943 (Bearb. Kurt Gerstenberg), S. 165]

Das Rasenstück, der kleine Ausschnitt, wird zum sinnbild der Welt. Einzelwesen, durch Zufall jeweils an diesen Ort gebracht, durchdringen und überschneiden einander und verbinden sich zu einem Ganzen, das lebendiger und vielfältiger ist als die Idee, die wir entwickeln, wenn wir ein Wort wie das im verwaltungsjargon übliche 'straßenrandbegleitgrün' gedanklich mit Inhalt füllen.
Spricht Wölfflin vom armen Leben eines Rasenstückes, so denkt er wohl auch nicht an sogenannte 'saure', also überdüngte Wiesen. Er meint eher die Ausstrahlung der unspektakulären, schlichten Gewächse, die hier zusammengestellt sind. Je 'ärmer', also natürlicher, die Wiesen gehalten werden, umso reicher gestaltet sich die Artenvielfalt der Pflanzen und Tiere, die von ihr Besitz ergreifen.
Erst in der Nutzung, in der auf landwirtschaftliche Produktion ausgerichteten Situation einer Garten- oder Ackerfläche beginnt die Verarmung. Neben der angelegten Monokultur werden alle frei, d. h. hier unerwünscht, sich entfaltenden Keime als Unkraut empfunden und bekämpft. herman de vries richtet sein Augenmerk auf dieses Unkraut und erkennt in ihm den Schutzfilm, wie er sagt, die Pflanzenhaut des Bodens. Er spricht von Bodenheilpflanzen, die die Erde für weiteren Bewuchs, für zunehmende Vielfalt vorbereiten. Die Reichhaltigkeit der Pflanzenwelt kommt jedoch nicht nur den Boden zugute. Sie enthält teilweise auch Heilpflanzen, die dem Menschen nützen. Als Beispiel mag nur der auch in Dürers Aquarell präsente Breitwegerich dienen, der, so eine Kindheitserinnerung der Autorin, ausgezeichnet und umgehend gegen den beißenden Schmerz aufgelaufener Blasen wirkt, wenn man ihn beim Wandern auf die verletzte Stelle des Fußes legt. Könnten solche, und andere Erfahrungen, die sich aus der genauen Beobachtung der uns umgebenden Dinge und Pflanzen herleiten, in unserem Bewußtsein starker Raum greifen, so wäre es über kurz oder lang wohl auch möglich, unsere Umwelt wieder als Lebensraum zu empfinden.
"die natur tragt uns diese natürliche(n) beziehungen praktisch an - nur, unsere erkenntniskapazität hat nachgelassen," umschreibt herman de vries den Status quo [note 7. Das Zitat entstammt einem von herman de vries freundlicherweise zur Verfügung gestellten Manuskript vom 22. und 27. Mai 1993, in dem er die Idee des sanctuariums erläutert, das sein Beitrag zur Stuttgarter IGA ist.].

Mit seiner Kunst, mit der Natur, mit den Pflanzen, leistet er Widerstand gegen eine einseitig technoid kommerzielle Kultur. Aus dem Erkennen der Unwissenheit muß nach seiner Auffassung zwangsläufig die Notwendigkeit der Einsicht folgen. Deshalb bleibt auch in der Arbeit von herman de vries, genau wie in Dürers großem Rasenstück, jede Pflanze als Individuum erhalten und erkennbar.
Leben und Spannung ergeben sich in beiden Werken aus dem Zusammentreffen der unterschiedlichen Arten. Hier wie dort ist dieses Prinzip bis in den Bildaufbau hinein nachvollziehbar. Während horizontal Bindung und Verbundenheit deutlich werden, zeigt die Vertikale Befreiung und Isolierung der Pflanzen. Zuordnung und Individualisierung bedingen einander und verweisen - wie die Vanitos-Idee, unter der die kostlichen Blumenstilleben des 17. Jahrhunderts zu betrachten sind - auf eine übergeordnete, die Gegensätze übergreifende Einheit.

Auf Einheit und Verbindungen besonderer Art, bezieht sich die Arbeit 'monumenta lamiae' - hexen-denkmäler, die 1985 entstand. Mit ihr will herman de vries auf Erfahrungen, Einsichten, Kenntnisse verweisen, die verloren, teilweise auch verboten sind, weil Menschen, die sich ihnen aussetzen, den sozialen Kontext nicht mehr zwangsläufig als bindend empfinden und so als Gefährdete an den Rand der Gesellschaft geraten bzw. gedrängt werden.
In einem Schreiben vom 3. August 1986 kommentiert de vries unter dem Titel 'i am what i am' seine Haltung gegenüber seinem Lebensraum. Der Text bezieht sich auf eine Publikation, die die Namen aller Pflanzen enthält, von denen de vries sich erinnert, sie in seinem Leben zu sich genommen zu haben. [note 8. Der maschinenschriftliche Text wurde der Autorin von herman de vries zur Verfügung gestellt und bezieht sich auf seine Publikation flora incorporata] Die Pflanzen sind, da sie Eingang in seinen Körper gefunden haben, Teile seiner Persönlichkeit. Bedenken wir in diesem Zusammenhang die enge Verbindung, in der Mensch und Pflanze allein in Bezug auf unsere Ernährung stehen, unmittelbar und durch die Bedeutung von Pflanzen als Futter für Nutztiere, ihre Anwendung in Form von Gewürzen, Heilkräutern oder Genußmitteln, so sehen wir, wie weitgehend diese selbstverständlichen Dinge unserem tatsächlichen Bewußtsein entzogen sind. Anders als wenige Naturverbundene oder Angehörige sogenannter 'primitiver Völker' haben wir aufgeklärten modernen Menschen das Gefühl für eine echte Lebensgemeinschaft zwischen Mensch und Pflanze verdrängt. Beim Spaziergang durch den im Frühjahr aufbrechenden Wald oder angesichts einer blühenden Sommerwiese in den Bergen mag der Verlust dem einen oder anderen deutlich werden.

In früheren Zeiten, als Farbe, Geschmacks- und Geruchsaromen noch nicht synthetisch produziert wurden, war das anders. Man kannte die Pflanzen und wußte um ihre Wirksamkeit, die häufig auch in ihrer Bezeichnung zum Ausdruck kam (Beinwell, Schlafmohn, Juckbohne usw). Ein in Tirol um 1700 entstandenes Gemälde 'Christus als Apotheker' [note 9. Christus als Apotheker. Tiroler Maler um 1700 (?), Öl auf Leinwand, 83 × 68 cm, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, l. N. Gm 1339.] zeigt, daß den Pflanzen über ihre chemische Wirksamkeit hinaus auch geistige Kraft zugeordnet wurde. Sie wurden als Heilsschätze erkannt und entsprechend in den Nischen eines Schrankes gemeinsam mit christlichen Symbolen gefeiert. Hauptsächlich im Bereich der Homöopathie wird überlieferte und durch Versuche bestätigte ganzheitliche Erfahrung auch heute noch genutzt und verbreitet. Da es für die übergreifende Wirksamkeit der kaum faßbaren Dosierungen jedoch keinen wissenschaftlichen Nachweis gibt, sind Naturheilverfhren gerade in unserer Zeit noch immer heftigsten Angriffen der Schulmedizin - die deren Ergebnisse jedoch auch nicht zu leugnen vermag - ausgesetzt. Der Konflikt zwischen reiner Schulmedizin und Verfahren, die nicht quantifizierbare Bereiche und Elemente des Seins einbeziehen, ist schon seit den Tagen des in Ferraro ausgebildeten Arztes Paracelsus (ca. 1494 bis 1541) bekannt. Paracelsus gilt als Begründer einer neuen Heilkunde, die auf eine Naturphilosophie aufbaut, die Wissen aus Mittelalter und Renaissance mit zukunftsweisenden Gedanken verbindet. Im Zentrum befindet sich der Mensch als Mikrokosmos, der mit den Substanzen und Kraften des Makrokosmos in Einklang gedacht werden muß. Auf dieser Basis entsteht der Gedanke der Chemie als Lehre von den wirksamen Elementen, ihren Veränderungen und Wirkungen, die eine Heilung unterstützen können. Heilung an sich wird als Werk der Lebenskraft eines Menschen geachtet. Dem ganzen Menschen gilt also das Interesse, nicht Teilen von ihm oder einzelnen Organen. Kommen wir in diesem Zusammenhang auf die Hexen zurück, so sprechen wir von Frauen, denen, genau wie den Heilkundigen, das Kräuterwissen vertraut war. Nur wer die Kräfte der Pflanzen kannte, konnte sich ihrer bedienen und so Macht über die Natur gewinnen. "In den Kräutern ist die ganze Kraft der Welt" wissen auch indische Sagen. [note 10. Gerd und Marlene Haerkotter, Hexenfurz und Teufelsdreck. Liebes-, Heil- und Giftkräuter: Hexereien, Rezepte und Geschichten, Frankfurt 1987, S. l3]

Betrachten wir die den Hexen als Denkmal ausgewählten Pflanzen von herman de vries, so stellen wir fest, daß sie jenseits ihrer Bezüge zur Hexerei alle auch der Gruppe psychoaktiver Gewächse zuzuordnen sind.
Eisenhut (Aconitum napellus) ist geeignet, Menschen zu vergiften - entsprechend dosiert kann man jedoch auch die anästhesierende Wirkung der hochgiftigen Pflanze nutzen.
Baldrian (Valeriana officinalis) steht als enthexendes Mittel im Kontext der monumenta-lamiae und wird allgemein als beruhigende Substanz eingesetzt.
Die Tollkirsche (Atropa belladonna) gilt als unumgängliche Grundsubstanz für den Hexenflug. Empirisch belegt ist, daß der Genuß von kleinen Wurzelstücken das Gedächtnis verbessert und traum intensivierend wirkt. [note 11. herman de vries, natural relations, a.a.O., S. 361]
Das Mutterkorn (Claviceps purpurea), hier in der Roggenähre, wurde von Pflanzenkundigen sowohl in der Geburtshilfe als auch zur Abtreibung eingesetzt. Seine Popularität verdankt es aber besonders der aus ihr gewonnenen und synthetisierten chemischen Verbindung Lysergsäurediäthylamid, LSD.

Wie das Bekenntnis eines Verhexten klingt es, wenn Albert Hofmann, Erfinder des LSD, das Ergebnis seines ersten Selbstversuches von l943 beschreibt: "Ein Dämon war in mich eingedrungen und hatte von meinem Körper, von meinen Sinnen und von meiner Seele Besitz ergriffen". [note 12. Albert Hofmonn, LSD - Mein Sorgenkind, 1979. Hier zit. noch André Schäfer, Eindringende Gebilde. Vor fünfzig Jahren schuf der Chemiker Alfred Hofmann das LSD, in: Die Zeit, Nr. 16, 16. April 1993, S. 29]
Positiv wurde die Droge eingesetzt, um verdrängte Erlebnisse ins Bewußtsein zurückzuholen und Einblick in tiefere Seinsschichten zu gewinnen. herman de vries bezeichnet Drogen als geistbefreiende Mittel. Mit ihrer Hilfe sei es ihm gelungen, sein verschlossenes, konditioniertes Sein zu öffnen und einen Zugang zur Welt zu bekommen, der als neue existenzielle Dimension gelten muß. Aus dieser Erfahrung und der Tatsache, daß er mit Hilfe von Drogen ein lebenslanges schweres Asthma abschütteln konnte, schließt er:

"drogen gehören zu unseren natürlichen beziehungen. weil unsere natürlichen beziehungen nicht mehr ein teil unserer kultur sind und so auch nicht mehr ein teil unseres sozialen lebens, bringen die drogen uns probleme, gerade im sozialen bereich. die einzige lösung ist, wieder zu erlernen damit umzugehen. ein plumpes verbot alleine, mit bestrafung, ist hier wohl am wenigsten angebracht. es gilt vielmehr nach integration zu streben". [note 13. herman de vries, natural relations, a.a.O., S. XXVII]

Diese Art Integration müßte dann zwangsläufig unseren Kulturbegriff öffnen, müßte wiedererschlossene Erfahrungsebenen zulassen und untermauern. So ist ja auch unser Denken in Ähnlichkeiten, dem Walter Benjamin sich ausführlich gewidmet hat, weitgehend abhanden gekommen [note 14. Walter Benjamin, Die Lehre von Ähnlichen. In: S. Unseld, Zur Aktualität Benjamins, Frankfurt/M. 1972, S. 23-30]

In de vries Werk sind es Arbeiten wie 'corylus' (l990) oder 'de la fôret des chênes de donadieu' (1991), die sowohl auf artbedingte Ähnlichkeiten als auch auf die vielfältigen Bezüge des Menschen z. B. zum Baum und ausf Ähnlichkeiten in unserem Lebensraum verweisen. Bäume bieten den Menschen Schutz, Frucht und Feuerung. Sie wurden in Baumkulten verehrt und haben die Architektur unterschiedlicher Kulturen geprägt. Astwerk wurde zum Vorbild für gotische Netzgewölbe, Stämme leben fort in den gemauerten Säulen, die große Gewölbe tragen. Aber haben wir tatsächlich noch ein Auge für derartige Verbindungen und Ähnlichkeiten? Gerade die Architektur sucht - wo sie gelingt - in ihren Elementarformen Natur zu assoziieren. Sie vermittelt auf diese Wiese Geborgenheit, entwickelt Räume, in denen Licht und Proportionen körperliche und seelische Befindlichkeiten der Menschen berücksichtigen. Mit ihrer Öffnung zur Natur spiegeln sie den uralten Traum von Garten Eden. herman de vries arbeitet an den Voraussetzung solches Tun. Er zeigt die vielfältigen Verbindungen, ohne die ein Individuum seiner Unverwechselbarkeit nicht gewahr werden kann.

source: Britta E. Buhlmann, 'herman de vries', in exhibition catalogue herman de vries : meine poesie ist die welt. aus der heimat / von den pflanzen (Städtische Sammlungen : Schweinfurt/Städtische Galerie : Würzburg/galerie d+c, mueller-roth : stuttgart 1993) 15-25 (ill.).